Gefühle – warum Zuhören hilft

Würde es dir helfen, ab und zu gefragt zu werden, wie es dir geht?

Nicht umsonst antworten wir auf die Frage “wie geht es dir?” üblicherweise etwas wie “ganz gut”, “geht so” oder Ähnliches.

Obwohl wir, wenn wir etwas länger nachdenken würden, eher sagen müssten “Ich bin oft ganz verzweifelt”, “ich habe Angst wegen des Kriegs”, “Ich mache mir Sorgen um …”.

Warum ist das so?

Wir schützen uns automatisch davor, im Alltag tiefer in ein Gefühl zu gehen. So gelingt es uns, das zu tun, was wir tun müssen.

Das ist eine gesunde Einstellung.

Warum ich trotzdem dafür plädiere , mehr über Gefühle zu sprechen?

Die obige Alltagshaltung kann, wenn sie nicht ergänzt wird durch eine abendliche Reflexion, in einen Überforderungszustand münden. Wenn wir uns in einer täglichen Reflexion Zeit nehmen, die Gefühle des Tages zu benennen und körperlich zu spüren, (Achtung: sonst sind das Gedanken!), können sie sich ausdrücken und von unserem Gehirn verarbeitet werden.

Mit der Zeit und etwas Übung geht das auch ganz leicht einfach mal zwischendurch

Wenn wir unseren Gefühlen diesen Raum nicht geben können, führt das zu Verspannungen bis zu Krankheiten.

Oder -und du kannst selbst entscheiden was du schlimmer findest – dazu, deine Gefühle nicht mehr zu spüren und damit einhergehend weniger empathiefähig zu sein. So, wie wir bis heute aufwachsen, erscheint es manchmal einfacher, unsere Gefühle wegzudrücken, als uns ihnen zu widmen.

Warum haben wir diese Angst vor Gefühlen?

Es kann durchaus sein, dass wir beim Zulassen von Gefühlen “aus der Fassung” geraten. Es passt einfach nicht in jede Situation, über tiefe Gefühle zu sprechen. Zu Recht fürchten wir die Freundin, die uns in fröhlicher Runde plötzlich fragt, wie wir denn damit zurecht kommen, dass es einem unserer Kinder gerade so schlecht geht.

Also:

es braucht einen Rahmen, und es braucht die Bereitschaft, sich jetzt der Gefühle anzunehmen!

“Gefühle sind immer richtig” hat eine meiner ersten Therapeutinnen gesagt, der ich heute noch dafür dankbar bin und deren Namen ich leider nicht erinnere. Das hat mir damals geholfen, mich nicht schlecht zu fühlen, wenn ich den Eindruck hatte, mehr von meinen Gefühlen “gebeutelt” zu werden als Menschen in meinem Umfeld.

Letztendlich ist also auch das Gefühl richtig, das dir manchmal sagt, dass du dich jetzt keinem tiefen Gespräch über Gefühle aussetzen magst.

In unserer Gesellschaft ist es üblich und wird spätestens von Erwachsenen erwartet, sich mit dem Ausdrücken von Gefühlen zurückzuhalten. Dabei können Gefühle viel besser ver- und bearbeitet werden, wenn wir den Umgang damit lernen. So ist es inzwischen nachgewiesen, dass Gefühle vom Gehirn besser reguliert werden können, wenn wir sie benennen1.

Zum Glück ist mit dem sozialen Lernen schon viel Gefühlsarbeit in unsere Kindergärten und Schulen eingezogen.

Wenn der Umgang mit Gefühlen von Klein auf gelernt wird, kann ein heftiges Gefühl auftauchen – und du weißt schon, was du brauchst, weißt, wie du das bekommst oder wie du damit umgehst, dass du es nicht bekommst, und kannst wieder nach vorne schauen.

Was hier so einfach klingt, ist das Ergebnis deiner Entscheidung, dich ab jetzt deinen Gefühlen frühzeitig zu widmen, und einer Selbstverpflichtung, dich bei heftigen Gefühlen immer zu fragen “Was brauche ich jetzt?”

Wenn du dich mehr damit beschäftigen möchtest, empfehle ich dir mein Buch “Manchmal sind Gefühle Monster”, in dem ich viele praktische Übungen aufgeschrieben habe, die sich für mich und meine Coaching -Klient*innen bewährt haben.

In Zeiten, wo so eine Umstellung gerade nicht passt, hilft es bei der Gefühlsarbeit, eine Person deines Vertrauens zu haben, die dich dabei unterstützt, alle aktuellen Gefühle anzuerkennen und ein hilfreiches Gefühl zu finden, das dich wieder nach vorne schauen lässt.

Die Gefühlsmonster geben diesem Gespräch eine Struktur und einen Rahmen.

Nach 17 Jahren Erfahrung mit den Gefühlsmonster®-Karten in der heutigen Form kann ich mit Sicherheit sagen, dass sie

  • es erleichtern, sich der eigenen Gefühle bewusst zu werden
  • es erleichtern, schwierige Gefühle anzusprechen aus der Distanz, die das Betrachten der ausdrucksstarken Comicfiguren bietet
  • es ebenfalls erleichtern, wieder in einen anderen Gefühlszustand zu kommen.

Wie kann so ein Gespräch aussehen?

Zuallererst frag dich bitte:

Würde es dir helfen, ab und zu gefragt zu werden, wie es dir geht?

Nur du selbst kannst entscheiden, was dir im Moment gut tut und was nicht.

Wenn ja, hilft ein sicherer Rahmen, dass das Gefühlsgespräch für dich eine Hilfe sein kann.

Wichtig für den Rahmen:

  • eine zuverlässige und für beide Seiten machbare Verabredung zum Gespräch
  • du fühlst dich sicher, dass deine eigenen Wünsche von deinem Gegenüber berücksichtigt werden
  • du fühlst dich sicher, dass das Gespräch in einer Atmosphäre der Akzeptanz stattfindet und weder dein Verhalten noch deine Gefühle bewertet werden
  • du kannst dir bei deinem Gegenüber sicher sein, dass sie/er dir keine Ratschläge gibt – es geht einzig und alleine um Gehört- und Verstanden-Werden
  • du kannst dich darauf verlassen, dass dein Gegenüber den Rahmen des Gesprächs hält.

Wie sieht der Ablauf für dieses Gespräch aus?

Die Methode, mit der diese Gespräche geführt werden können, heißt “Gefühlsmonster-Scan”. Ich habe sie vor Jahren nach einem Tool aus der Prozessarbeit von Arnold Mindell2 entwickelt, wir unterrichten sie erfolgreich in fast allen unseren Seminaren. Sie ist gratis in unserer Online-Toolbox mit einer Anleitung zu finden und eignet sich dafür, dich selbst jeden Abend zu fragen, wie dein Tag war und was du jetzt brauchst, um gut zu schlafen oder gut auf Morgen vorbereitet zu sein.

Probier sie am besten aus, wenn das gerade für dich passt.

Dieselbe Methode eignet sich ebenso gut, jemand anders nach ihren/seinen Gefühlen zu fragen. Kurz und knapp sieht das ungefähr so aus:

Das Ritual aus der Sicht der Person, die dich unterstützt. Sie/er fragt:

  • Wie ist es dir heute ergangen?“ „Wie geht es dir?“
  • Magst du ein Gefühlsmonster auswählen, zu dem du mir was erzählen möchtest?“ Oder: „Über welches Monster magst du heute etwas sagen?“ (1-5 Karten dürfen ausgewählt werden)
  • Sie/er signalisiert, dass sie zuhören.
  • Weiter nichts!
  • Anschließend werden sie dich entweder fragen:
  • Welches Monster könnte dich da unterstützen?“ „Wie möchtest du dich fühlen?“

Oder dir ein Monster verbunden mit einem guten Wunsch “schenken” und dir erklären, warum sie finden, dass dir dies helfen könnte.

Das ist alles!

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Du möchtest vielleicht wissen, wie ich auf diesen Abschluss für das Gespräch gekommen bin? Das kam so. Ich weiß, dass wir besser lernen können, wenn es uns gut geht. Weil wir dann unser Gehirn mit seiner kompletten Kapazität zur Verfügung haben.

Und ich weiß aus meiner Tätigkeit als Dozentin, dass sogar Menschen, die sich kaum kennen, sich oft überraschend gut in Andere einfühlen können.

Also habe ich Teilnehmer*-innen aufgefordert, sich gegenseitig ein Gefühlsmonster zu schenken, das aus ihrer Sicht für eine Stärke ihres Gegenübers steht. Du hättest sehen sollen, wie alle Teilnehmer*innen gestrahlt haben, als sie aus der Übung zurück kamen.

Deshalb führen wir diese Übung seitdem gerne in unterschiedlichen Online-Workshops und immer mit dem gleichen Ergebnis durch. Weil: was kann uns allen Besseres passieren, als in dieser anstrengenden Zeit einen kleinen glücklichen Moment zu erleben?!!

Diesen Übungsteil habe ich noch zusätzlich in mein strukturiertes Gefühlsgespräch eingeführt, damit auch in schwierigen Gefühlssituationen zum Abschluss ein versöhnliches oder hilfreiches Gefühl da ist.

Es ist wesentlich leichter, diese Methode praktisch zu erleben, als sie erklärt zu bekommen.

Momentan kannst du jede Woche einmal an einem Gratis Online-Workshop „Ich hör‘ dir zu“ dazu teilnehmen und dir ein Bild machen. Egal, ob du selbst jemandem dieses Ritual für eine Weile schenken magst oder dir wünschst, dich würde jemand immer mal nach deinen Gefühlen fragen.

Hier findest du unsere Akademie-Seite und kannst dir einen Workshop auswählen, an dem du teilnehmen möchtest.

Und wenn du gerade keine Möglichkeit hast, dich dem Thema Gefühle mehr zu widmen, möchte ich dir zum Abschluss noch ein Wort für die nächste Zeit mitgeben:

Schönheit!

Der kürzeste Weg dahin, sich gut zu fühlen ist, auf Schönheit zu achten. Auf Schönes, was du siehst, was du erlebst – und dieses Gefühl tief in deinen Körper einsinken zu lassen. Eine ganze Minute lang. Du wirst sehen: wenn du dies in deinen Alltag integrierst, wird es dir mit der Zeit auf jeden Fall besser gehen.

In diesem Sinne: dir einen schönen beginnenden Frühling!

Von Herzen, Lilli Höch-Corona

Calasetta, 10.4 2022

1Emotionnews.org/Does-labeling-your-feelings-help-regulate-them

2Die Methode heißt bei Arnold Mindell “Einen Flirt erwischen”. Die Prozessarbeit verbindet Psychologie mit Quantentheorie. Die Idee ist, dass etwas aus deiner Umgebung, das deinen Blick anzieht, gerade etwas mit dir zu tun hat. Übertragen auf die Gefühlsmonster®-Karten heißt das, dass bei näherem Hinschauen die Gefühlsmonster, die deinen Blick anziehen, etwas mit dir zu tun haben, auch wenn dir das nicht sofort klar ist. So kannst du Facetten deines Tages entdecken, die dir ohne die Karten vielleicht entgangen wären